Bücher, die uns das Schreiben beibringen wollen, haben Hochkonjunktur. Mal versprechen sie, zu erklären, wie man einen Bestseller schreibt, mal erklären sie Genre-Regeln und mal wollen sie einfach unsere kreativen Potenziale freilegen. Aber brauchen Autoren diese Ratgeber überhaupt?
Ihren Ursprung haben die modernen Schreibratgeber in den Anweisungs- und Übungsbüchern zu Rhetorik und Poetik, die von der Antike bis in 18. Jahrhundert weit verbreitet waren. Sie gaben vor, was »gutes Schreiben« ist, und bremsten allzu viel Eigenwilligkeit und Gestaltungswillen oftmals aus.
Das änderte sich mit einem Wandel des Kunstverständnisses in der Mitte des 18. Jahrhunderts: Von nun an galt als wahrer Künstler, wer sich um diese Normen nicht scherte, sondern unabhängig von solchen Erwartungen eigene Maßstäbe setzte. Dabei ging vor allem um ästhetische Errungenschaften, der kommerzielle Erfolg war zweitrangig, ja mitunter sogar verpönt: Wer mit dem Schreiben Geld verdient, muss wohl geschmacklose Massenware produzieren, so das hartnäckige Vorurteil.
Die USA als Vorreiter des Kreativen Schreibens
Heutzutage haben wir diesen Geniekult zumindest teilweise hinter uns gelassen. Vor allem in den USA wurde das Schreiben nämlich bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem als Handwerk verstanden, das im Prinzip jeder erlernen kann. Seine Blüte erlebte das Creative Writing nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Schreiblehre eng an die universitäre Ausbildung gekoppelt wurde. Es ging dabei um die Vermittlung eines traditionsreichen Handwerks, aber auch um die Verarbeitung eigener Erfahrungen, den Ausdruck von Authentizität und das Ausleben von Kreativität.
In Deutschland wollte man nur widerwillig vom Geniegedanken abrücken, erst ab den 1990ern war es hier möglich, Kreatives Schreiben systematisch zu studieren, und auch die entsprechende Ratgeberliteratur hat sich nur langsam etabliert. So prägen vor allem US-amerikanische Bücher den Markt, die bisweilen erst mit einigen Jahren Verspätung in Deutschland erhältlich sind.
Klischees und fragwürdige Verallgemeinerungen
Während manche Bücher Werkstattberichte berühmter Autoren sind, geben andere allgemeine Tipps oder beschränken sich auf verschiedene Genres. Ein Großteil der Ratgeber bezieht sich aber ausdrücklich auf Literatur, die kommerziell vermarktbar sein soll. So wundert es auch nicht, dass die Ratschläge manchmal formelhaft anmuten und die immer wieder gleichen Slogans beschworen werden. »Show, don’t tell«, »Write what you know«, »Kill your darlings« oder »Find your voice« sind mittlerweile zu Klischees erstarrt, die den meisten Autoren längst zu den Ohren raushängen dürften.
Fragwürdig sind auch Verallgemeinerungen, die immer wieder genutzt werden, um Schreibtipps zu rechtfertigen: Die Heldenreise wird da etwa zum universellen Erzählmodell verklärt, oder C. G. Jung wird nachgesagt, er hätte die menschliche Persönlichkeit in 12 Archetypen eingeteilt.
Motivation, Demokratisierung und Transparenz
Auch wenn in Schreibratgebern oft generalisiert und vereinfacht wird – sich mit Showing und Telling auseinanderzusetzen oder sich mit verschiedenen Erzählmustern zu beschäftigen kann natürlich ebenso lehr- wie hilfreich sein.
Besonders wenn Ratgeberliteratur von populären Schriftstellern geschrieben ist (man denke an Stephen Kings »Das Leben und das Schreiben« oder Chuck Palahniuks »Consider This«), kann sie motivieren: Solche Bücher zeigen, dass Profis ganz ähnliche Erfahrungen machen oder gemacht haben wie angehende Autoren und dass das Erlernen des Schreibhandwerks ein Prozess ist.
Eine weitere Leistung von Ratgebern kann sein, dass sie weit über das Schreiben hinaus Einblicke in den Literaturbetrieb ermöglichen. Sie geben Tipps zu Bewerbungen, erklären den Markt mit all seinen Akteuren wie Agenten, Verlegern und Händlern und können so Ängste und Vorurteile abbauen. Im besten Fall sorgen Schreibratgeber somit für Transparenz und eine Demokratisierung.
Quellen:
- Erhard Schütz u. a. (Hg.). Das BuchMarktBuch. Der Literaturbetrieb in Grundbegriffen.
- Dan Sinykin. Big Fiction. How Conglomeration Changed the Publishing Industry and American Literature.
