Wie erzählen wir uns Geschichten? Im Laufe der Zeit haben sie verschiedene Muster bewährt, auf die man auch heute noch zurückgreifen kann – vielleicht auch nur, um sie zu unterwandern und zu verdrehen.
Im Grunde könnte man eine Geschichte einfach von A nach B erzählen, einer Figur auf ihrem Weg folgen und jeder Station gleich viel Zeit widmen: Aufbruch in die Wildnis, Mittagessen, Kampf gegen Monster, Pinkelpause, Blasenpflaster aus dem Rucksack kramen …
Aber nein, Geschichtenerzähler sind Herrscher über Zeit und Raum, sie geben nicht einfach wieder, was geschieht, sondern sie gestalten das Erzählte. Beim Straffen und Ausdehnen der Zeit, beim Verknüpfen von Handlungsorten und Entwicklungsstufen haben sich Muster bewährt, die wir als Dramaturgie bezeichnen.
Einige Muster sind dabei so präsent, dass sie manchen als universell und archetypisch gelten, andere stellen sich dem mit neuen Konzepten entgegen und wollen alte Schemata aufbrechen. Egal, welchem Muster man folgen möchte, sie alle können gezielt genutzt werden, um den Plot zu strukturieren, Spannung aufzubauen oder Figuren zu zeichnen.
Ein Patenrezept für eine gelungene Geschichte biete dabei keines der Dramaturgiekonzepte. Befolgt man sie zu strikt, wirkt das Erzähle schnell schematisch und vorhersehbar. Sie können beim freien Schreiben aber als loser Leitfaden oder bei der Überarbeitung zur Orientierung dienen. Häufig lassen sie sich auch miteinander kombinieren.
Der Archeplot
Typisch für dieses Erzählmuster sind
- ein einzelner, aktiver Protagonist,
- ein äußerer Antagonist (mitunter auch innere Konflikte),
- ein linearer Zeitverlauf,
- kausale Zusammenhänge und
- eine konsistente Wirklichkeit.
Dem gegenüber stehen zwei Gegenmodelle, nämlich der Miniplot und der Antiplot.
Typisch für den Miniplot sind
- mehrere, eher passive Protagonisten,
- innere Konflikte und
- Fragen, die nicht alle beantwortet werden.
Den Antiplot zeichnet aus, dass
- es keine klassische Figurenentwicklung gibt,
- sondern Zufälle,
- Nonlinearität,
- und Inkonsistenzen.
Das Drei-Akt-Modell
Namensgebend ist die Unterteilung in drei Akte, nämlich:
- 1. Akt: Exposition (Vorstellung der gewohnten Welt und möglichst schnelle Aktivierung des Protagonisten, Aufwerfen der zentralen Frage)
- 2. Akt: Konfrontation / Komplikation (längster Akt, Auftreten des Antagonisten, Widerstände, eventuell ein Midpoint als Moment des Innehaltens)
- 3. Akt: Resolution (spannender Höhepunkt, Auflösung der zentralen Frage und der Spannung, Moment der Rekapitulation)
Die Heldenreise
Die Heldenreise, die vor allem das Fantasy-Genre und das Hollywoodkino stark geprägt hat, existiert in verschiedenen Varianten. Typisch ist die Einteilung in zwölf Stationen:
- 1. Gewohnte Welt
- 2. Ruf des Abenteuers
- 3. Weigerung
- 4. Mentor
- 5. Erste Schwelle
- 6. Proben, Verbündete, Feinde
- 7. Vordringen zur tiefsten Höhle
- 8. Entscheidende Prüfung
- 9. Belohnung
- 10. Rückweg
- 11. Auferstehung
- 12. Rückkehr mit dem Elixier
Die Stationen müssen nicht alle vorkommen und können variiert werden. Da die Heldenreise so populär ist, wirkt sie schnell klischeehaft und vorhersehbar.
Die Masterplots
Als Masterplots werden zwanzig archetypische Erzählmuster wie »Die Suche«, »Die Rache« oder »Die Reifung« bezeichnet. Sie können sie überlagern und miteinander kombiniert werden, oftmals dienen einzelne Masterplots nur als Sublots und bestimmen nicht den gesamten Handlungsverlauf.
