Der Autor – Vom Überbringer zum Popstar zum Prompter?

Generative KI ist auf dem Vormarsch, und viele befürchten, dass sie Autoren in Bedrängnis bringen, ja sogar überflüssig machen könnte. Ein Anlass, einen Blick auf die lange Geschichte des Autorenbegriffs zu werfen und einen kleinen Blick in die Zukunft zu wagen.

Dem lateinischen Ursprung nach ist der Autor erst einmal ein Urheber. Während damit mittlerweile die Urheber ganz unterschiedlicher Werke wie Musikstücke, TV-Serien oder Podcast-Beiträge gemeint sein können, bezog sich der Begriff zunächst auf schriftlich verfasste Werke. Auch heute ist diese Verknüpfung noch eng, und »Autor« wird oftmals als Synonym für »Schriftsteller« genutzt.

Autoren als Überbringer und Entdecker

Das Verständnis von Autorschaft im Mittelalter war dabei weniger von Urheberschaft geprägt als vielmehr von der Idee, dass der Autor ein Überbringer ist. Die Person an sich trat in den Hintergrund, was zählte, waren die vermittelten Botschaften, sei es in religiösen oder weltlichen Texten.

Auch später, in Renaissance und Barock, galt der Autor eher als Entdecker: Er sah sich in einer langen Reihe von Vorgängern, Traditionen und übermittelten Wahrheiten, zu deren Weiterverbreitung er beitrug.

Der Beginn moderner Autorschaft

Das änderte sich erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als der Autor als Individuum wahrgenommen wurde, das schöpferisch tätig ist. Diese Auffassung spiegelte sich auch rechtlich und wirtschaftlich wider: Der Autor schuf nun geistiges Eigentum, an dem er die Rechte besaß. Er verkaufte damit nicht mehr sein Werk als Ganzes an Verlage, sondern überließ diesen lediglich das Recht zu Druck und Verbreitung.

Während Schriftsteller zuvor durch adlige Gönner gefördert wurden oder das Schreiben als Nebentätigkeit ausführten, entstand nun ein eigenes Berufsbild. Dabei gewannen Publikum und Markt an Bedeutung: Autoren mussten sich in einem Feld zwischen künstlerischer Autonomie und wirtschaftlichen Notwendigkeiten behaupten.

Zu dieser Zeit wurde auch der Geniegedanke geprägt und Schriftsteller wie Goethe wurden zu Personen des öffentlichen Interesses, ja zu richtigen Marken. Auf der anderen Seite gab es allerdings bereits Autoren, die vielleicht kommerziell erfolgreich waren, aber deren Namen unbekannt blieben – noch heute ist vor allem bei Literatur, die man als »trivial« oder »Schemaliteratur« bezeichnet, nicht immer öffentlich, wer da schreibt. Ebenso bleibt der Ruhm Drehbuchautoren oder Redakteuren für Fernsehshows oft verwehrt, da das Publikum vor allem das Endprodukt wahrnimmt, nicht die vielen Menschen, die an der Schöpfung beteiligt sind.

Konglomerative Autorschaft

Spätestens seit Mitte des 20. Jahrhunderts beherrschen riesige Multikonzerne wie Bertelsmann den Buchmarkt, der sich nach US-amerikanischem Vorbild durch Creative-Writing-Workshops und zahllose Schreibratgeber stetig professionalisiert hat.

Auch heute dienen einzelne Autorennamen immer noch als große Marken, und der Mythos vom genialen Autor, der einsam an seinem Werk schreibt, wird immer wieder angefeuert – wohl auch, weil die Verlage ein Interesse an der Verbreitung eines romantischen Autorenbilds haben und die Beteiligung von Lektorat, Marketing etc. daher gern unterschlagen.

Autoren werden zu Popstars erhoben, die einerseits Autonomie und Schöpfergeist verkörpern, sich zugleich aber Marktzwängen und industriellen Produktionsprozessen unterordnen sollen.

Dan Sinykin spricht in seinem Buch »Big Fiction« daher von »conglomerative authorship«, um das komplexe System des Literaturbetriebs zu beschreiben, in dem der Autor nur ein Akteur unter vielen ist.

Der Tod des Autors – diesmal richtig?

Der Romantisierung von Autorschaft wird schon lange kritisch gesehen, besonders radikal etwa durch Roland Barthes, der in seinem gleichnamigen Essay den »Tod des Autors« ausrief. Die künstlerische Autonomie wird dem Autor hier entrissen, und die Leser werden zu den eigentlichen Textproduzenten erklärt.

In Zeiten generativer KI lässt sich das Ableben des Autors natürlich auch anders interpretieren: Braucht es überhaupt noch den überbringenden, entdeckenden, schöpfenden Menschen im Literaturbetrieb, wenn ChatGPT und Co. auf Knopfdruck Romane produzieren können? Schreiben Autoren bald nur noch Prompts?

Für die Autoren, die jetzt bereits unsichtbar hinter dem Werk bleiben und die vor allem eher generische Texte ohne jeden künstlerischen Anspruch produzieren, dürfte KI durchaus zu einer Konkurrenz werden.

Ich persönlich vermute aber nicht, dass Schriftsteller per se vom Aussterben bedroht sind. Solange sie und ihre Arbeit noch wertgeschätzt (und stellenweise verklärt) werden, solange Leser zu Signierstunden und Lesungen pilgern und solange die Öffentlichkeit ein Interesse an den Menschen hinter den Büchern hat, dürfte es schwer werden, Autoren einfach durch Maschinen zu ersetzen.

Quellen:

  • Erhard Schütz u. a. (Hg.). Das BuchMarktBuch. Der Literaturbetrieb in Grundbegriffen. 2005.
  • Dan Sinykin. Big Fiction. How Conglomeration Changed the Publishing Industry and American Literature. 2023.
  • Stephan Porombka. Literaturbetriebskunde. Zur »genetischen Kritik« kollektiver Kreativität. 2006. https://d-nb.info/1207793159/34
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